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- Pogačar und Le Court gewinnen Lüttich-Bastogne-Lüttich
- Schauen wir uns mal an, wie die Räder von Tadej Pogačar und Kim Le Court in Belgien zum Sieg gekommen sind.
- 28/04/2025
Der Radsport boomt: Die großen Rundfahrten stehen mehr denn je im Fokus der medialen Aufmerksamkeit und das gilt auch für die Athletinnen und Athleten. Eddy Merckx, Bernard Hinault, Miguel Indurain, Sean Kelly, Fausto Coppi, Jan Ulrich, Chris Froome, Tadej Pogacar, Jonas Vingegaard: Die Liste der männlichen Helden im Sattel ist lang. Doch wie sieht es bei den Fahrerinnen aus? Obwohl die erste „Tour de France féminin“ bereits 1955 ausgerichtet wurde, wurde Frauen im Radsport lange nicht die Aufmerksamkeit zugeteilt, die sie verdienen.
Grund dafür sind zum einen gesellschaftliche Normen und Stereotypen, die Frauen lange davon abgehalten haben, sich für den Radsport zu interessieren oder aktiv daran teilzunehmen. Auch die oft ungleiche Förderung und finanzielle Unterstützung von Frauen im Vergleich zu Männern im Radsport spielt eine Rolle.
Doch zum Glück ändern sich diese Verhältnisse seit einiger Zeit. Nicht schnell, aber hoffentlich nachhaltig. Immer mehr Frauen steigen auf das Rad. Für den Weg zur Arbeit, als Freizeitfahrerinnen, für Abenteuer in der Natur aber selbstverständlich auch als Leistungssportlerinnen auf der Straße, auf der Bahn oder in unwegsamen Gelände.
Denn gerade Gravelbiking erfreut sich bei allen Geschlechtern wachsender Beliebtheit, da es eine Mischung aus Abenteuer, Herausforderung und Naturerlebnis bietet. Immer mehr Frauen entdecken die Faszination und zeigen, dass sie genauso leidenschaftlich und talentiert sind wie ihre männlichen Kollegen.
Aber warum sorgt gerade das Gravelbiking dafür, dass mehr Frauen auf das Rad steigen und wo gibt es noch Nachholbedarf? Wir wollten es genauer wissen und haben bei Gravel-Profi Caro Schiff, Ultra-Cyclist Tatiana Myk von 8bar und SHIMANO Europa Ambassador Anke Eberhardt nachgefragt, wie ihre Sicht auf den Radsport ist.
Caro
„Ich bin schon immer als Alternative zum Rennrad im Winter Cyclocross gefahren. Früher auch etwas Mountainbike (Mountainbike Marathons). In der Corona Zeit haben wir dann das Cyclocross Bike auch oft im Sommer für längere Fahrten durchs Gelände genutzt. Da habe ich schon gemerkt, dass mir das sehr viel Spaß macht und ich gerade auf langen Distanzen gut bin. Ich habe dann im Sommer 2022 in Tschechien bei einem "Gravelrennen" über 350 km quer durch Tschechien mitgemacht. Ich war die einzige Frau am Start aber am Ende auch die Erste von allen, die zurück im Ziel war. Von da an hatte ich Lust auf mehr.
Ich bin vorher bei einem Profi-Team Rennrad gefahren. Da habe ich aber keine Zukunft mehr für mich gesehen. Auch aufgrund vieler Stürze und Verletzungen. Für mich kam der Einstieg in den Gravelsport gerade zur richtigen Zeit.“
Tatiana
„Im Jahr 2011 lebte ich in Russland und kaufte mir von meinem ersten verdienten Geld mein erstes Downhill-Bike. Mich zog es immer in die Berge und ich liebte es, in den Bikeparks Europas zu fahren und besuchte bis 2020 häufig Bikeparks in Finnland, Schweden, Frankreich und Italien.
Als dann das Coronavirus ausbrach und viele Grenzen geschlossen wurden, lebte ich bereits seit drei Jahren in Europa und verlor leider den Kontakt zu all meinen Downhill-Freunden, die mich nicht mehr besuchen konnten. Um in Form zu bleiben und etwas Neues zu entdecken, kaufte ich mir ein Rennrad und erkundete die Umgebung von Berlin. Schnell merkte ich, dass es mich zum Gravel-Riding hinzog. Im Jahr 2022 baute ich mir mein erstes Traum-Gravel-Bike, mit dem ich 2023 an den ersten ultralangen Gravel-Rennen teilnahm.“
Anke
„Ich war ein lebendes Klischee und bin ein paar Jahre mit dem alten Mountainbike meines damaligen Boyfriends gefahren: ein Hardtail mit viel zu großem Rahmen und Felgenbremsen, während er mit seinem neuen Fully mit Scheibenbremsen meilenweit voraus war. Auf Trails bin ich immer gestorben vor Angst und dann jahrelang nicht mehr Rad gefahren, weil ich dachte, das ist einfach nichts für mich. Das Gravelbike hat mich zurück in den Sattel geholt, weil ich gemerkt habe: es liegt nicht am Radfahren an sich, es liegt nur am Terrain.“
Anke
„Mich hat der Leistungsfokus beim Rennrad immer abgeschreckt. Es ist toll, wenn man lange Strecken fahren und viele Watt treten kann, aber es wird viel zu oft suggeriert, dass man im Umkehrschluss kein „richtiger“ Radfahrer ist, wenn man es aus irgendwelchen Gründen nicht kann. Gravel bietet viel mehr Raum, sein eigenes Ding zu machen. Wenn man will, kann man Ultradistanzrennen fahren, oder auch einfach nur zum nächsten Baggersee. Im engen Jersey oder im weiten Hawaiihemd. Alles geht, nichts muss. Und die Fahrtechnik ist nicht so herausfordernd wie beim Mountainbiken, weil man auf entspannten Forstwegen unterwegs sein kann und trotzdem Spaß hat. Deswegen ist das Gravelbike ja oft die „Einstiegsdroge“ in den Radsport – inzwischen habe ich ja schließlich auch ein Rennrad.“
Caro
„Ich finde, dass der Gravelsport im Vergleich zum Straßenradsport sehr fortschrittlich ist, wenn es um die Gleichberechtigung von Männern und Frauen geht. Klar, stehen immer noch weniger Frauen als Männer an der Startlinie aber die Veranstalter bieten uns meist die gleiche Plattform wie den Männern. Ich habe mich oft beim Straßenradsport als Nebenprogramm gefühlt. Das ist beim Gravel anders. Ich finde zudem das Miteinander beim Graveln angenehmer als auf der Straße. Es ist - noch - alles etwas entspannter. Ich hoffe dass dies lange so bleibt. Zudem finde ich es schön, dass man so viel in der Natur unterwegs ist und so viel von anderen Ländern sieht und auch immer noch einen Teil der Kultur mitbekommt.“
Tatiana
„Seit meiner Kindheit zog es mich zu Abenteuern und Reisen hin. Da ich von klein auf mehr mit Jungs als mit Mädchen befreundet war, haben mich sportliche Disziplinen, in denen Männer dominieren, nie abgeschreckt. Nachdem ich mit Anfang Zwanzig auf Downhill-Bikes hohe Rampen und Drops gesprungen war, begann ich nach vielen Jahren voller Extremsport, Stürzen und Knochenbrüchen, sorgfältiger mit mir umzugehen, aber die Abenteuerlust blieb. So eröffnete sich nach meinem 30. Geburtstag ein neues Kapitel: Gravel-Biking.
Wenn ich allein bei Langdistanz-Rennen unterwegs bin, gelange ich in einem tiefen Zustand der Sorglosigkeit, und all die vielen alltäglichen Probleme schrumpfen auf die grundlegenden Bedürfnisse: Wo esse ich, wo schlafe ich, wie trete ich in die Pedale, ohne Schmerzen zu haben?
Social Rides hingegen laden meine sozialen Batterien auf. Und bei der Planung einer neuen Bikepacking-Tour stille ich meine Abenteuerlust und die Neugier auf neue Orte. Diese Vielfalt an Emotionen und Eindrücken bringt für mich nur das Gravel-Bike."
Tatiana
„Ich sehe immer mehr Frauen auf Gravel-Events, und das inspiriert mich. Vor einigen Jahren, als es mir nicht gut ging, verfolgte ich viele beeindruckende Frauen in den sozialen Medien, die sich auf Solo-Abenteuer begaben oder unglaubliche Distanzen in kurzer Zeit zurücklegten. Das hat mich sehr inspiriert, es selbst auszuprobieren. Und mittlerweile kann ich mit meinen Aenteuern andere Frauen inspirieren. Ich glaube fest daran, dass das auch andere schaffen können. Indem ich mich selbst inspiriere, inspiriere ich auch andere.
Zu Beginn müssen es nicht gleich anspruchsvolle Mehrtagesrennen sein. Manche Frauen könnten davon abgeschreckt werden. Aber heutzutage gibt es so viele Möglichkeiten, sich auszuprobieren – sei es bei Gruppenausfahrten, in Fahrrad-Camps oder bei komfortablen Bikepacking-Abenteuern. Es gibt immer mehr Veranstaltungen für Frauen und wir sind auf einem guten Weg, mehr Frauen für das Thema Gravel zu begeistern.“
Anke
„Ich würde persönlich nie ein Rennen fahren. Zum einen, weil mein Knie nach einer Kreuzband-OP nicht wieder richtig fit geworden ist und zum anderen, weil ich das Bedürfnis nicht habe, mich auf diese Art mit anderen zu messen. Ich finde es toll, dass es viele Gravel-Rennen gibt, bin begeisterter Dotwatcher wenn zum Beispiel Jana Kesenheimer ihre Bikepacking-Ultras fährt und habe gejubelt, als Carolin Schiff 2023 Unbound gewonnen hat. Das ist unglaublich wichtig für den Sport und motiviert andere Frauen, Gas zu geben. Aber ich persönlich mag Events wie das Gravelfest bei mir in der Zugspitzregion oder das Into The Wold im Bregenzerwald, weil man dort nicht gegeneinander, sondern miteinander fährt und es verschiedene Streckenlängen für jedes Fitnesslevel gibt. Mit dem „Gravel Chase“, einer Art Schnitzeljagd mit Rad oder Themenfahrten und Workshops ist außerdem viel drumherum geboten und es geht eher um das Zusammensein mit guten Leuten als um die Performance auf dem Rad. Beim Après-Drink am Lagerfeuer und auf der Tanzfläche reklamiere ich dann aber schon gern den „Sieg“ für mich.“
Tatiana
„Es gibt ein Event, auf das ich mich besonders freue und an dem ich diesen Sommer schon zum dritten Mal teilnehmen werde: das Gravity Festival. Eine einzigartige Atmosphäre und ein Mix aus Gravel-Fahrradliebhabern und Leuten, die die Nacht hindurch zu Technomusik tanzen, in einem wunderschönen Naturschutzgebiet namens Klingemühle in der Nähe von Berlin.“
Tatiana
„Die physiologischen Unterschiede zwischen Frauen und Männern, insbesondere im Zusammenhang mit dem Radsport, sind noch nicht ausreichend erforscht. Ein Fahrradfitting für Frauen ist wirklich wichtig, da wir anders sitzen und körperliche Besonderheiten wie breitere Hüften und einen deutlich ausgeprägten Schwerpunkt im Hüftbereich haben. Die meisten Frauen sind auch flexibler, und viele von uns kompensieren suboptimale Sitzpositionen mit Dehnübungen, was wiederum zu anderen Problemen und Schmerzen führen kann.
Unabhängig vom Gravelsport, sondern auf alle körperlichen Aktivitäten im Allgemeinen bezogen, halte ich es für wichtig, das Thema Menstruation und hormonellen Zyklus stärker in den Fokus zu rücken. Es wäre großartig, Trainingspläne oder Ernährungsempfehlungen für die Menstruation zu haben.
Dazu würde ich mich freuen, wenn es generell kürzere Kurbellängen geben würde. Für ULTEGRA und DURA-ACE sind bereits Kurbeln mit 165 mm oder sogar 160 mm verfüggar. Auch im Bikefitting spielt die Kurbellänge eine große Rolle für eine optimale Sitzposition. Für viele Frauen sind kürzere Kurbellängen deswegen eine sinnvolle Option – auch im Gravel-Bereich."
Anke
„Ich würde mir wünschen, dass insgesamt mehr Menschen eine Plattform gegeben wird, die nicht dem typischen Radfahrerklischee entsprechen. Egal welches Geschlecht: es trägt nicht jeder Mensch Klamottengröße XS, kann irre Wattzahlen treten und hat das Geld und die Zeit, um auf einem 10.000-Euro-Rad im Jahr 15.000 Kilometer zu fahren. Je mehr die Fahrradindustrie solchen Menschen Aufmerksamkeit schenkt, die in keine Schublade passen, desto mehr wird es weitere Leute anziehen und von Vielfältigkeit kann der Sport nur profitieren. Zumindest hier sehe ich mich als positives Beispiel: Wenn es eine Frau Anfang 40 mit kaputtem Kreuzband schafft, in der Fahrrad-Bubble aufgenommen zu werden, besteht Hoffnung. Also her mit der Verstärkung!“
Anke
Sich von der Technik nicht abschrecken lassen.
Ich war am Anfang völlig überfordert mit Drehmomentschlüsseln, Ritzeln und Cleats. Im ersten Jahr fühlt man sich, als würde man nie durchblicken, aber man muss auch nicht alles auf einmal lernen und das Wissen entwickelt sich mit den Waden. Für den Einstieg gibt es ja meine YouTube-Tutorials – inklusive aller meiner Fails und wie man es besser macht. Und: der Tipp ist im Übrigen nicht nur an Frauen gerichtet. Ein Hauptgrund, warum ich mit den Tutorials angefangen habe, waren verzweifelte WhatsApp-Nachrichten während Corona – und zwar von Männern in meinem Bekanntenkreis, die auch nicht wussten, wie man ein Hinterrad ausbaut, sich aber nicht getraut haben, jemand anderen zu fragen.
Sich nur im Positiven mit anderen zu messen.
Durch Komoot, Strava und Co hat man immer den direkten Vergleich. Und ich habe schon öfters erlebt, dass Leute gefrustet waren, weil natürlich immer jemand höher, schneller und weiter fährt als man selbst. Wenn Apps einen negativen Nachgeschmack hinterlassen und man danach nicht bessere Laune hat als vorher, würde ich darauf verzichten. Umgekehrt kann man aber auch viel Motivation, Inspiration und gute Menschen dort finden. Wenn das Bock macht und positiv anspornt: Go go go!
Sich von niemandem einreden lassen, man gehört nicht aufs Rad.
Nur weil man irgendetwas nicht kann, weiß oder besitzt. Watt, Schlaumeierei und Carbon sind nicht alles. Wenn du mit einem rostigen Tandem im Hasenkostüm nur 20 Kilometer zum Badesee fährst und damit glücklich bist, hast du alles richtig gemacht (und das weiß ich, weil ich so ein Duo mal getroffen und sehr gefeiert habe). Die Besten im Sattel sind die, die am meisten Spaß haben!
Tatiana
Nicht zögern, sich in neuen Abenteuern zu versuchen.
Immer 3-4 Meter vor sich schauen. Denn wer in einer Kurve auf einen Baum schaut, fährt in den Baum hinein.
Sich nicht mit anderen vergleichen, sondern sich darauf konzentrieren, dass man mit jedem Gravel-Ride immer besser wird.
Anke Eberhardt
Anke ist eher zufällig zum Fahrradfahren gekommen. Nach einem Kreuzbandriss musste ein Ersatz fürs Snowboard her und als sie 2018 fürs Bergwelten Magazin einen Artikel über Gravelbikes schrieb, war sie angefixt. Seitdem will die Journalistin nichts anderes mehr als Schotter fahren und macht mit ihrem Alter Ego @anke_is_awesome auf Instagram Witze übers Bikefluencing, weil sie findet, dass man Radfahren trotz aller Begeisterung nicht zu ernst nehmen sollte. Seit 2021 erklärt sie in ihren „How To fahrRad“ YouTube Tutorials außerdem alles von Schlauchwechsel bis zum richtigen Reifendruck – und zwar immer mit einer gehörigen Portion Selbstironie und gern auch mit einem Minipony zum Thema Sattelhöhe. Awesome!
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Carolin Schiff
Caro ist international eine der erfolgreichsten Gravel-Profis der Welt. 2023 konnte sie „Unbound“, das vermutlich prestigereichste Gravelrennen der Welt gewinnen. Im Jahr 2024 sicherte sie sich zum zweiten Mal den Titel bei „The Traka“, einem Gravelrace über ebenfalls 200 Meilen. Ein wichtiger Faktor für ihre Erfolge ist dabei stets ihr Canyon Grail CFR LTD mit der DURA-ACE Di2 von SHIMANO.
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Tatiana Myk
Als Marketing Managerin der Berliner Fahrradmanufaktur 8bar hat Tatiana tagtäglich mit Fahrrädern zu tun. Aber das hindert sie nicht daran, mit dem Gravelrad oder dem Mountainbike die längsten und schwierigsten Schotterpisten der Welt unter die Räder nehmen. Wie es ihr in Südspanien dabei erging, kann man hier nachlesen. (https://gravel.shimano.com/de/stories/badlands-ultracycling)
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Fotos Anke Eberhardt: Chris Gollhofer